4. SONNTAG IM JAHRESKREIS

3.2.2013

LESUNG aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Christen in Korinth (12, 31-13,13):

Wenn ich die Sprachen aller Menschen spreche und sogar die Sprache der Engel, aber ich habe keine Liebe - dann bin ich doch nur ein dröhnender Gong oder eine lärmende Trommel.

Wenn ich prophetische Eingebungen habe und alle himmlischen Geheimnisse weiß und alle Erkenntnis besitze, wenn ich einen so starken Glauben habe, dass ich Berge versetzen kann, aber ich habe keine Liebe - dann bin ich nichts.

Und wenn ich all meinen Besitz verteile und den Tod in den Flammen auf mich nehme, aber ich habe keine Liebe - dann nützt es mir nichts.

Die Liebe ist geduldig und gütig. Die Liebe eifert nicht für den eigenen Standpunkt, sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf. Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus, sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach. Sie ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht, sondern freut sich mit, wenn jemand das Rechte tut. Die Liebe gibt nie jemand auf, in jeder Lage vertraut und hofft sie für andere; alles erträgt sie mit großer Geduld.

Niemals wird die Liebe vergehen. Prophetische Eingebungen hören einmal auf, das Reden in Sprachen des Geistes verstummt, auch die Erkenntnis wird ein Ende nehmen. Denn unser Erkennen ist Stückwerk, und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. Wenn sich die ganze Wahrheit enthüllen wird, ist es mit dem Stückwerk vorbei.

Einst, als ich noch ein Kind war, da redete ich wie ein Kind, ich fühlte und dachte wie ein Kind. Als ich dann aber erwachsen war, habe ich die kindlichen Vorstellungen abgelegt.

Jetzt sehen wir nur ein unklares Bild wie in einem trüben Spiegel; dann aber schauen wir Gott von Angesicht. Jetzt kennen wir Gott nur unvollkommen; dann aber werden wir Gott völlig kennen, so wie er uns jetzt schon kennt.

Auch wenn alles einmal aufhört - Glaube, Hoffnung und Liebe nicht. Diese drei werden immer bleiben; doch am höchsten steht die Liebe.

Gedanken zur Lesung:

Das Hohelied der Liebe. Das ist wohl eine der schönsten, aber auch schwierigsten Lesungen, die wir im Gottesdienst hören. Vor allem bei kirchlichen Hochzeiten wird sie vorgelesen. Sie gehört zum tiefsten, was über die Liebe geschrieben wurde.

Paulus schreibt an die von ihm gegründete christliche Gemeinde in Korinth. Es war dort zu Streitereien und Spaltungen gekommen, weil die einen sich besser vorkamen als die anderen. Paulus tadelt all das Menschliche, die Eigensucht, das hochmütige und stolze Streben, indem er die geistlichen Begabungen der Gläubigen stark relativiert. Alles, womit sie sich brüsten: ekstatische religiöse Erfahrungen, die größte Frömmigkeit, grandiose Leistungen wie Glaube, der Berge versetzt, den ganzen Besitz an die Armen verschenken, sogar sein Leben für den Glauben hingeben … all das ist hohl und leer, wenn es ohne Liebe geschieht! Wir können uns hundertprozentig für die Pfarrgemeinde einsetzen, viel arbeiten und viel Zeit in ihr verbringen … wenn es aber ohne Liebe geschieht, bringt es nichts. „Alles, was ohne Liebe geschieht, was nicht aus liebender Gesinnung geschieht, ist wertlos“, sagt Paulus.

Was aber Paulus mit Liebe meint, ist unendlich viel mehr als ein Gefühl. Er verwendet in diesem Text fünfzehn Verben, also Tätigkeitsworte, um Liebe zu umschreiben: Liebe besteht aus Taten, auf das Tun kommt es an!

Was nun die Liebe nicht tut: Sie prahlt nicht, bläst sich nicht auf, macht sich nicht wichtig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zu Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach, sondern überwindet das Böse durch Güte. Sie ist die Fähigkeit, zu verzeihen. Sie freut sich nicht über das Unrecht, das anderen geschieht, kennt keine Schadenfreude.

Der wirklich Liebende hat einen langen Atem, er ist ausdauernd, gibt den anderen nicht vorschnell auf, lässt ihm Zeit. Ein Liebender ist gütig. Er denkt vom anderen Gutes, begegnet ihm mit einem Vorschuss an Vertrauen, mit Wohlwollen, mit freundlicher Zuwendung, Wertschätzung. Er ermutigt den anderen.

Der Liebende vermag den anderen auch mit seinen Abgründen zu akzeptieren. Er bleibt dem anderen verbunden, selbst wenn Schwierigkeiten oder Konflikte sich im Moment nicht entschärfen oder lösen lassen. Er hat die Kraft, dem anderen auch in Misserfolgen und Versagen die Treue zu halten, ihm trotz Enttäuschungen neues Vertrauen zu schenken. Liebe geht bis an die äußersten Grenzen der Möglichkeiten. Sie rechnet nicht, sie verzichtet auf Misstrauen. Sie ist geduldig. Geduld ist Stärke, nicht Schwäche!

Vieles nun, was Paulus hier über die Liebe sagt, wird im Alten Testament von Gott ausgesagt: Er ist geduldig und gütig, er trägt das Böse nicht nach, er hält den Menschen unverbrüchlich die Treue. Christliche Liebe ist für Paulus also: Lieben wie Gott es tut. »Nachahmung Gottes«. Solch eine Liebe, wie Paulus sie beschreibt, ist eine Gabe von Gott, keine menschliche Eigenschaft oder Fähigkeit allein - eine göttliche Kraft in uns Menschen! Gott ist ja Liebe. Er liebt in uns.

„Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei, aber am größten ist die Liebe.“ Um dies bildhaft auszudrücken: An der Himmelstür kehren Glaube und Hoffnung wieder um. Sie haben ihr Werk vollendet. Der Glaube wandelt sich in Schauen. Die Hoffnung findet Erfüllung. Die Liebe allein geht mit hinein in die Ewigkeit. Darum ist sie die größte.

Diese Liebe, in der unscheinbaren Alltäglichkeit geübt, ein Leben lang, ist wertvoller, beständiger als alle noch so aufsehenerregenden geistlichen Erfahrungen. Sie ist alles entscheidend und besteht aus Taten, die den Anderen in seinem Menschsein fördern. Sie ist Praxis.

Paulus legt hier ein wegweisendes Modell christlichen Lebens vor. Es geht um eine Liebe, nach der wir immer streben sollen, auch wenn uns das oft nicht gelingt. Als Christen haben wir diese christliche Lebensweise ernst zu nehmen und in eine immer mehr in Einzelinteressen und Gruppenegoismen zerfallende Gesellschaft einzubringen. Ohne diese Liebe ist unser christliches Leben wertlos.

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